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Organsisationsentwicklung zeigt sich in veränderten Verhalten und Prozessen

Astrid Neben • Leiterin HR Lufthansa Technik AG, Hamburg • 02.08.2015

Wirksame Veränderungen einer Organisation zeigen sich vor allem durch anderes/verändertes Verhalten, andere/veränderte Prozesse, Vorgehensweisen etc. Ein Interview mit Astrid Neben (Lufthansa Technik AG, Hamburg).

 

HRpuls: Sehr geehrte Frau Neben, während Ihrer beruflichen Laufbahn haben Sie sich intensiv mit dem Thema Organisationsentwicklung befasst. Wie sind Sie auf das Thema gestoßen und welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

AN: In meiner ersten beruflichen Position bei Lufthansa Technik als Referentin für Personalentwicklung- und Unternehmenskultur hatte ich den Auftrag, die zum damaligen Zeitpunkt neu definierten Unternehmenswerte gemeinsam mit einer hierarchie- und funktionsübergreifenden Arbeitsgruppe „zum Leben“ zu bringen. Die stärkste Erfahrung dabei war, dass trotz des hohen Engagements der Gruppe und des Auftrags des Top-Managements, Maßnahmen zur Kulturentwicklung zu identifizieren und umzusetzen, die Grenzen des faktisch Machbaren aus ganz unterschiedlichen Gründen schnell erreicht waren. Ich erlebte also bereits damals, dass für erfolgreiche Organisationsentwicklung viele Hürden zu nehmen sind.

HRpuls: Organisationsentwicklung ist ein komplexes und spannendes Thema, das selber einer fortlaufenden Weiterentwicklung unterworfen ist. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

AN: Meiner Meinung nach hat sich das Verständnis von Organisation als System, das also auch systemisch gestaltet werden muß, in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren durchgesetzt und damit wurde die Grundlage dafür gelegt, dass die Logik und der Charakter von Organisationsentwicklung „für Jedermann“ greif- und begreifbarer wurde.

HRpuls: Lassen sich Veränderungen einer Organisation visualisieren oder messen? Falls ja, welche Hilfsmittel sind dazu geeignet?

AN: Wirksame Veränderungen einer Organisation zeigen sich vor allem durch anderes/verändertes Verhalten, andere/veränderte Prozesse, Vorgehensweisen etc. Das bedeutet, sie sind im Alltag erleb- und spürbar – darauf kommt es letztlich an. Bis sich wirksame Veränderungen sichtbar einstellen, braucht es einen gesteuerten planvollen Entwicklungsprozess. Für diese Phase der Organisationsentwicklung sind Messungen, die Auskunft über das bisher Erreichte geben, von großer Bedeutung. Unter Messungen verstehe ich in diesem Zusammenhang einerseits „klassische Evaluationen“ über Befragungen (Fragebögen, Interviews, Punktabfragen etc.) andererseits den innerbetrieblichen Diskurs zum Status Quo der Entwicklung (auch unterstützt durch Visualisierung von KPIs), fest integriert in den Arbeitsalltag, beispielsweise in Teamsitzungen. 

HRpuls: Kennen Sie Organisationen, die sich aus eigener Kraft fortlaufend weiterentwickeln und wenn ja, was sind die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren einer solchen Fähigkeit?

AN: Es gibt durchaus Organisationen, die sich fortlaufend weiterentwickeln, in einem solchen, der Lufthansa Technik AG, bin ich selbst tätig. Meines Erachtens gibt es drei essentielle Voraussetzungen dafür: 
1. Den Mut und das Zutrauen, bewährte und bis dato vermeintlich oder tatsächlich erfolgreiche Vorgehens- und Verhaltensweisen aufzugeben und im gleichen Maße offen und neugierig für Neues zu sein. 
2. Eine Flexibilität, die dazu führt, Neues auszuprobieren, zu bewerten und ggf. wieder zu verwerfen und dies nicht als Misserfolg, sondern als Bestätigung für die Qualität eines Prozess, der für sinnvolle Veränderungen sorgt, zu sehen.
3. Konkrete Prozesse und Routinen, die nicht nur in Präsentationen und Broschüren glänzen, sondern in allen Teilen und auf allen Ebenen der Organisation, in deren Rahmen kontinuierliche Veränderungen thematisiert, realisiert und nachverfolgt werden.

HRpuls: Große Organisationen, vor allem wenn Sie im internationalen Wettbewerb bestehen müssen, befinden sich im fortlaufenden Wandel. Dabei geht es beispielsweise um die Klarheit neuer Aufgaben oder Verantwortlichkeiten, die Führung, die Etablierung neuer Prozesse oder Arbeitsweisen bis hin zur allgemeinen Stimmungslage. Welche Methoden würden Sie für diese typischen Fragestellungen empfehlen?

AN: Voraussetzung für eine wirksame Veränderung – unabhängig davon, worum es in der Veränderung geht – ist die Einbindung und Beteiligung der Menschen, die diese Veränderung akzeptieren, tragen und leben sollen. Soll sich beispielsweise die Führungskultur eines Unternehmens verändern, ist es essentiell, Führungskräfte mindestens repräsentativ bei der Definition und Planung von Maßnahmen zur Realisierung der Veränderung einzubinden. Dies ist nicht nur, wie oft angenommen oder gar unterstellt, lediglich eine Vorgehensweise zur Steigerung der Akzeptanz bei den Betroffenen. Die Beteiligung der jeweiligen Zielgruppe führt erst dazu, dass realisierbare, angemessene und sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden (können) – sie ist sogar die wesentliche Voraussetzung für den Umsetzungserfolg. In weiteren Schritten ist dann ein kontinuierliches „Messen, Zählen, Wiegen“ und Rückspiegeln des jeweiligen Umsetzungserfolges erforderlich, um immer wieder neue Impulse in der Organisation zu setzen, sie gleichsam an das Vorhaben zu erinnern – denn auch sinnvolle, wirksame Veränderungen geraten zu Anfang in der operativen Hektik leicht aus dem Blickfeld.

HRpuls: Was müssen Unternehmen heute tun, um die eigene Organisation zukunftsfähig zu machen? Gibt es Beispiele aus der Praxis, die Sie uns verraten können?

AN: Nun, für die Zukunftsfähigkeit bedarf es neben einer klaren Strategie, daraus abgeleiteten konkreten Zielen und Erwartungen an alle Mitarbeitenden des Unternehmens einer Unternehmenskultur, die sich durch eine ausgeprägte Sensorik für Veränderungen innerhalb und außerhalb des eigenen Systems, die Fähigkeit zur Selbstreflexion, konstruktiver Selbstkritik, Veränderungsbereitschaft und –fähigkeit sowie den unbedingten Willen zur Erneuerung auszeichnet. Das mag auf den ersten Blick etwas generisch klingen, wenn jedoch der Inhalt hinter den vermeintlichen Schlagworten gelebt wird, trifft es das m.E. ziemlich genau.

Diese Charakteristika in einer Organisation auszuprägen, braucht vielfältige Ansätze und Maßnahmen. Ein Startpunkt für die Arbeit an der Unternehmenskultur sind meiner Meinung nach immer die Führungskräfte durch den starken Einfluss, den sie in ihrer Organisation naturgemäß haben. Aus diesem Grund haben wir bei Lufthansa Technik seit etwa vier Jahren mit über 30 verschiedenen, auch unterschiedlich intensiven, genau definierten Instrumenten und konkreten Prozessen, Veränderungsimpulse in der Führungsarbeit gesetzt, die wir nun stetig verfeinern, anpassen und nachverfolgen. 

Das „LHT-Führungsfeedback“ beispielsweise gibt allen Mitarbeitern die Möglichkeit, jährlich ihrer direkten Führungskraft eine Rückmeldung bzgl. des konkret erlebten Führungsverhaltens zu geben. Dieser Prozess mit seinem integrierten anschließendem Auswertungsworkshop fördert die Dialog- und Feedbackkultur ebenso wie die regelmäßige Beziehungsklärung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden. Er schult die Sensorik für einander!
Führungskultur zeigt sich in einer Organisation aber nicht (nur), als Summe der individuellen Führungsarbeit, sondern vielmehr durch das Verhalten des Führungskollektivs. Ein von uns eingeführtes Instrument zur Förderung des Führungskollektivs, „Führung@work“, ist ein 3-5-tägiger, mindestens 3 Hierarchieebenen umfassender Entwicklungsprozess der Führungsmannschaft eines Bereiches. Zielsetzung ist, dass sich ein solches Führungsteam gemeinsam so ausrichtet, dass für die geführten Mitarbeiter, Klarheit und Orientierung in der alltäglichen Führung entsteht. 
Als weiteres Beispiel unserer Kulturarbeit möchte ich eine Maßnahme nennen, die die gesamte Belegschaft in einen kontinuierlichen, kollektiven Reflexions- und Verbesserungsprozess bringt: „Wir bei LHT“. Dabei handelt es sich zunächst um ein Leitbild, einen Anforderungskatalog für das Miteinander bei Lufthansa Technik. Dieser wird im jährlichen Abstand in den Teams im gemeinsamen Dialog eingeschätzt und hinsichtlich des eigenen Umsetzungsfortschritts bewertet. Dadurch erfolgt eine regelmäßige Auseinandersetzung mit dem kollegialen Miteinander im Betrieb und eröffnet die Chance, eigenverantwortlich und selbstbestimmt Verbesserungen im eigenen Arbeitsumfeld gestalten zu können. 
Weitere Impulse geben wir u.a. durch zum Selbststudium erstellte Leitfäden für typische – normale und herausfordernde Führungssituationen, Dialogplattformen wie z.B. die Veranstaltungsreihe „Leadership kontrovers“ und Einiges mehr. 

HRpuls: Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre wertvollen Beiträge. Wir freuen uns auf eine Fortsetzung!

AN: Gerne!

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